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Mitbestimmungsgesetz

Das Mitbestimmungsgesetz trat am 04.05.1976 mit großer Mehrheit im Deutschen Bundestag in Kraft und ist bis heute gültig. Es regelt die Aufnahme von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat eines Unternehmens. Dadurch haben sie sowohl ein Recht auf wirtschaftliche Teilhabe als auch ein Mitbestimmungsrecht bei der Leitung des gesamten Unternehmens.

Inhaltsverzeichnis

Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes

Das Mitbestimmungsgesetz gilt für Unternehmen, die entweder eine Aktiengesellschaft (AG) oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sind, oder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Genossenschaft betrieben werden. Zusätzlich dazu muss ein Unternehmen in der Regel mehr als 2.000 Angestellte beschäftigen, damit das Mitbestimmungsrecht nach § 1 MitbestG Anwendung findet. Ausgenommen davon sind Tendenzbetriebe nach § 118 BetrVG (verfolgen z. B. politische oder erzieherische statt ökonomischer Ziele) sowie Betriebe der Montanindustrie (Gewinnung, Aufbereitung und direkte Weiterverarbeitung von Bodenschätzen).

 

Durch das Mitbestimmungsrecht soll die Unterordnung der Arbeitnehmer durch fremde Leitungs-Organisationsgewalt und die damit verbundene Fremdbestimmung gemildert werden. Zudem soll durch die Beteiligung der Arbeitnehmer an unternehmerischen Entscheidungen die ökonomische Unternehmensleitung durch eine soziale ergänzt werden. Geregelt wird die Unternehmensmitbestimmung durch das Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG).

 

Das Mitbestimmungsgesetz regelt, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrates bei mehr als 2.000 Mitarbeitern paritätisch, d. h. mit gleicher Anzahl an Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern erfolgen muss. Dabei müssen die Sitze der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertreter, entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbelegschaft, auf Arbeiter, Angestellte und leitende Angestellte verteilt werden.

 

Hat das Unternehmen hingegen zwischen 500 bis maximal 2.000 Beschäftigte, so gilt das Drittelbeteiligungsgesetz. Dieses besagt, dass der Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt sein muss (§ 4 Abs.1 DrittelbG). Durch Übergewicht der Anteilseigner gilt daher nur eine einfache Mitbestimmung der Arbeitnehmer.

 

Kommt es bei einer Abstimmung des Aufsichtsrates zu einer Stimmengleichheit, so besagt das Mitbestimmungsgesetz, dass die Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden den Ausschlag durch ein Doppelstimmrecht gibt (§ 29 Abs. 2 MitbestG). Dieser ist meist ein Anteilseigner.

 

Die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer gelten nicht für Grundfragen des Unternehmens. Änderungen des Unternehmensgegenstandes sowie die Umwandlung bzw. Auflösung eines Unternehmens und auch Fusionen oder Kapitalerhöhungen bleiben alleinige Kompetenz der Anteilseigner.

 

Aufbau des Mitbestimmungsmodelles

Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder erfolgt entweder unmittelbar durch eine Urwahl oder auch mittelbar durch Wahlmänner, wenn ein Unternehmen mehr als 8.000 Mitarbeiter beschäftigt.

 

Um als Arbeitnehmervertreter Mitglied des Aufsichtsrates zu werden, muss die Volljährigkeit und eine mindestens einjährige Betriebszugehörigkeit erreicht sein. Zudem muss derjenige im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wählbar sein. Einzelheiten zur Durchführung der Wahl der Vertreter sind in der Wahlordnung zum Mitbestimmungsgesetz (WOMitbestG) geregelt.

 

Sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende als auch sein Stellvertreter werden mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt. Ist eine solche nicht gegeben, so wird der Vorsitzende durch die Seite der Anteilseigner und der Vertreter durch die Seite der Arbeitnehmer gewählt.

 

Vorgeschrieben ist, dass ein Mitglied in den Vorstand zu berufen ist, welches die Funktion eines Arbeitsdirektors übernimmt (ausgenommen einer KGaA). Dieser ist zuständig für Sach- und Personalfragen, ist aber nicht an die Arbeitnehmerseite gebunden. Er kann auch gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat berufen werden. Der Arbeitsdirektor ist ein gleichberechtigtes Vorstandsmitglied.

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Entstehung des Mitbestimmungsgesetzes

Vor Inkrafttreten des Gesetzes über ein Mitbestimmungsrecht für Mitarbeiter aller Branchen gab es zunächst nur das Montan-Mitbestimmungsgesetz. Aus diesem haben sich später die Mitbestimmungsrechte bei Unternehmensentscheidungen entwickelt.

 

Das Montan-Mitbestimmungsgesetz:

In den fünfziger Jahren haben die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, welche durch den Deutschen Gewerkschaftsbund angeführt wurden, für eine paritätische Beteiligung in Aufsichtsräten von großen Unternehmen gekämpft. Sie waren der Überzeugung, dass Arbeit und Kapital in einem gleichberechtigten Verhältnis stehen und daher gleichermaßen Sitze erhalten müssten.

 

Im Jahr 1951 konnten die Gewerkschaften diese Forderung für Unternehmen der Stahl- und Bergbauindustrie mit mindestens 1.000 Beschäftigten durchsetzen. Dies erreichten sie durch Androhung eines Generalstreiks. Das so entstandene Montan-Mitbestimmungsgesetz, durch welches Aufsichtsräte erstmals paritätisch besetzt wurden, trat am 07.06.1951 in Kraft.

 

Der Fall einer Stimmengleichheit sollte durch ein neutrales Mitglied verhindert werden, welches von beiden Seiten gewählt wurde. Auch die Wahl eines gleichberechtigten Arbeitsdirektors in den Vorstand war bereits vorgesehen. Dieser durfte allerdings nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmerstimmen bestimmt werden.

 

Das Betriebsverfassungsgesetz:

Nachdem die Forderung nach Mitbestimmung in der Montan-Industrie erfolgreich durchgesetzt wurde, erhofften sich die Gewerkschaften, diese auf die gesamte Wirtschaft ausbreiten zu können.

 

Das vom Bundestag im Jahr 1952 verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz spaltete öffentlichen Dienst und Privatwirtschaft, indem die Betriebsverfassung lediglich für private Unternehmen galt. Der Betriebsrat hatte weniger Kontroll- und nur sehr schwache Informations- und Beratungsrechte. Zudem war in Kapitalgesellschaften nur ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat für die Arbeitnehmer sowie keine Arbeitnehmervertretung im Vorstand vorgesehen. Aus diesen Gründen entsprach das Betriebsverfassungsgesetz nicht der Vorstellung der Gewerkschaften.

 

Auch die Arbeitgeber waren nicht zufrieden. Eine paritätische Mitbestimmung war für sie nicht zu vereinbaren mit der deutschen Marktwirtschaft. Sie sahen sie als Eingriff in ihre Eigentumsrechte und eine Verlagerung der Macht hin zu den Gewerkschaften an. Durch die Koalition aus SPD und FDP trat 1972 eine Abänderung des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft, durch welche der Betriebsrat nun mehr Einflussmöglichkeiten hatte.

 

Der Kompromiss zum Mitbestimmungsgesetz:

Vier Jahre später (1976) wurde das Mitbestimmungsgesetz mit nur 22 Gegenstimmen bei insgesamt 411 Stimmen verabschiedet, welches nun seit Mai 1976 gültig ist. Durch dieses ist es nun allen Branchen gestattet, Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat zu berufen und so die Unternehmenspolitik mitzugestalten. Ausgenommen sind seitdem nur die Montanindustrie und Tendenzbetriebe. Der Aufsichtsrat wird paritätisch besetzt, Voraussetzung dafür sind mindestens 2.000 Mitarbeiter.

 

Arbeitgeber und auch Gewerkschaften waren mit dem neuen Gesetz noch immer nicht zufrieden. Die Arbeitnehmer klagten sogar vor dem Bundesverfassungsgericht wegen mutmaßlichen Eingriffs in die Eigentumsrechte. Allerdings erklärte dieses das Gesetz 1979 erneut für verfassungskonform.

 

Neben dem Mitbestimmungsrecht, welches Unternehmensentscheidungen betrifft, gibt es auch das Recht auf sogenannte betriebliche Mitbestimmung. Dieses betrifft vor allem soziale Aufgaben und Personalangelegenheiten und kann daher von Arbeitnehmern in Betriebs- sowie Personalräten wahrgenommen werden. Geregelt ist die betriebliche Mitbestimmung in der privaten Wirtschaft durch das Betriebsverfassungsgesetz, im öffentlichen Dienst hingegen durch Personalvertretungsgesetze.

 

Kategorie: Arbeitsrecht

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