Interview: Das Recruiting der Zukunft

Mit Google for Jobs gab es in diesem Jahr ein echtes HR-Hype-Thema. Welche langfristigen Auswirkungen das Engagement des Suchmaschinengiganten auf den Markt haben wird, ist noch ungewiss. Eins dürfte jedoch klar sein: Die Recruiting-Welt dreht sich schneller denn je. Was bedeutet dieser Wandel für die tägliche HR-Arbeit? Ralf Kuncser, CEO der Raven51 AG, gibt im Interview einen Ausblick auf das Recruiting der Zukunft.
Google for Jobs hat in diesem Jahr viel Staub aufgewirbelt. Was sagt das über die deutsche Recruiting-Szene aus?
Google for Jobs dürfte vielen HR-Verantwortlichen bewusst
gemacht haben, wie schnell sich die Recruiting-Rahmenbedingungen verändern
können: Durch das Auftreten eines neuen Players hat es grundlegende
Verschiebungen bei den Jobbörsen gegeben – und das, obwohl Google selbst gar
nicht als Job-Plattform im engeren Sinne auftritt.
Doch die Suchmaschine ist nur die Spitze des Eisbergs. Im
deutschsprachigen Raum gibt es derzeit allein im HR-Bereich über 100 Start-ups.
Vor allem im Recruiting entstehen permanent neue Lösungen zur Ansprache aktiver
und passiver Kandidaten. Die Arbeitgeber, die diese neuen Technologien und Kanäle
am cleversten für sich nutzbar machen, können langfristige Wettbewerbsvorteile erzielen.
Der Weg dahin ist allerdings nicht ganz leicht: Unternehmen müssen aus dem
unüberschaubar großen Angebot genau die Lösung finden, die zu ihnen passt, und
sie strukturiert in die bestehende HR-Infrastruktur einbinden – eine große
Kunst. Denn Start-up-Technologien decken oftmals nur Teilsegmente ab. Läuft ihre
Implementierung ohne Plan ab, können sie den gesamten Recruiting-Prozesses
gewaltig durcheinanderbringen.
Wird durch die wichtige Rolle von Start-ups das klassische Job-Posting an Bedeutung verlieren?
Definitiv: nein. Die Stellenanzeige ist und bleibt die erste
Anlaufstelle für einen Jobinteressierten, denn sie ist mit Abstand die
schnellste, verbindlichste und kostengünstigste Möglichkeit, eine offene Vakanz
auszuschreiben. Dass sich im Laufe der Zeit die Darstellung, der Inhalt und
auch die Kanäle einer Stellenanzeige verändern, versteht sich von selbst – das
war auch in der Vergangenheit schon immer der Fall.
Was wir allerdings beobachten: Die Klicks auf die Stellenanzeigen
in den traditionellen Recruiting-Medien lassen nach. Damit sinkt auch die
Anzahl der Bewerbungen: ein typisches Indiz für den ansteigenden Mangel an
Fachkräften. Es braucht deshalb neue Kanäle, um zusätzlichen Traffic auf die
geschalteten Jobangebote zu generieren – ansonsten reicht die Performance einer
klassischen Schaltung nicht aus. Recruiter müssen also zusätzliche Kanäle nutzen
und somit mehr Budget einsetzen, um weiterhin die gewünschten Reichweiten und Bewerberzahlen
zu erzielen.
Angesichts sich
abzeichnender Handelskrisen und einer schwächelnden Konjunktur könnten
HR-Verantwortliche vor solchen Zusatzinvestitionen zurückschrecken …
Diese Reaktion gibt es tatsächlich. Sie ist aber unserer Ansicht
nach falsch und extrem gefährlich. Denn die Fach- und Nachwuchskräfte, die man
sich jetzt als Arbeitgeber entgehen lässt, wird man in Zukunft nie wieder für
sich gewinnen können. Wer als Unternehmen an seine Produkte und
Dienstleistungen glaubt, sollte deshalb gerade jetzt in Personal investieren,
um sich erfolgreich für den noch härteren „War for Talents“ der Zukunft zu
wappnen.
Auf welche ergänzenden Recruiting-Maßnahmen sollten Personaler vor diesem Hintergrund am ehesten setzen?
Auf solche, die sich gut planen und skalieren lassen. Unser
Produkt SOCIALboost beispielsweise sorgt durch Ads in sozialen Netzwerken für
zusätzliche Reichweite in diversen Social-Media-Kanälen – und zwar nach dem Cost-per-Click-Modell.
Das heißt, dass nur dann Ausgaben fällig werden, wenn die Anzeigen auch zusätzlichen
Traffic und damit Extra-Bewerber generieren. Die Budgets lassen sich mit jedem
Projekt individuell auf die konkrete Recruiting-Herausforderung anpassen. Das
Beste: Durch die Erfahrungswerte, die wir aktuell sammeln, werden wir schon
bald ziemlich genau wissen, wie viel Geld wir in die Hand nehmen müssen, um in
einer bestimmten Branche eine, zwei oder zehn Stellen zu besetzen.
Klingt vielversprechend – aber auch nicht ganz unkompliziert. Welche Spezialkenntnisse verlangt das neue Recruiting HR-Verantwortlichen ab?
Ein gutes Gefühl für Analytics und Zahlen kann sicherlich nicht schaden, ist aber meiner Meinung nach nicht kriegsentscheidend – für die technischen Feinheiten gibt es Agenturen wie uns. Wichtiger ist, dass auf Arbeitgeberseite das Mindset stimmt: Recruiter sollten heute bereit sein, alte Wege zu verlassen und Neues auszuprobieren. Und ihre Vorgesetzten müssen dieses Mindset ihrerseits fördern: indem sie Mitarbeitern Freiräume geben, um sich auszuprobieren und dabei im Zweifelsfall auch mal Fehler machen. Wir haben auf Kongressen und in Fachmedien bereits viel von agiler HR-Arbeit geredet. Jetzt ist es an der Zeit, hierfür ganz konkret die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen!