Was sind das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und der European Accessibility Act?
Fangen wir am besten ganz vorne an. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist die deutsche Umsetzung des European Accessibility Act. Das Ziel: Digitale Angebote in der EU sollen so gestaltet sein, dass sie für alle Personen nutzbar sind – unabhängig von individuellen Einschränkungen.
Konkret heißt das: Unternehmen müssen dafür sorgen, dass ihre Online-Inhalte erstens wahrnehmbar, zweitens bedienbar, drittens verständlich und viertens robust sind. Diese vier Prinzipien stammen aus den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG).
Warum ist Barrierefreiheit von Websites und Stellenanzeigen wichtig?
Im Grunde profitieren alle Nutzer von barrierefreien Websites: durch klare Strukturen, bessere Lesbarkeit, einfache Navigation und eine optimierte mobile Darstellung etwa. Außerdem helfen eine klare Sprache, eine logische Struktur und gut lesbare Formatierungen nicht nur Menschen mit Behinderung, Informationen schneller und besser zu erfassen, sondern z. B. auch allen, die mobil unterwegs sind oder wenig Zeit haben und sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen.
Gerade im Recruiting ist Barrierefreiheit ein unterschätzter Hebel, um mehr Menschen zu erreichen und echte Chancengleichheit zu ermöglichen. Die Zahlen sprechen für sich: In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt rund 7,9 Millionen Menschen mit anerkannter Behinderung – das sind über 9 Prozent der Bevölkerung. Viele von ihnen sind gut qualifiziert, motiviert und bereit für den nächsten Karriereschritt. Doch wenn zum Beispiel Stellenanzeigen schwer verständlich, visuell überfrachtet oder technisch unzugänglich sind, bleibt dieses Potenzial ungenutzt.
Vorteile von Barrierefreiheit von Websites und Stellenanzeigen im Recruiting
Für Unternehmen bedeutet Barrierefreiheit damit nicht nur gesetzliche Sicherheit, sondern auch eine größere Reichweite, bessere Usability und ein starkes Signal für Inklusion und Verantwortung – das ist gut fürs Image.
Ganz nebenbei wirkt sich Barrierefreiheit auch positiv auf Ihre Sichtbarkeit in Suchmaschinen aus: Barrierearme Inhalte sind oft besser strukturiert, schneller geladen und nutzerfreundlich – also genau das, was Google mag.
Wen betrifft das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und ab wann?
Grundsätzlich müssen digitale Inhalte barrierefrei sein. Im Recruiting gilt: Sobald Stellenanzeigen online veröffentlicht, Bewerbungen über ein Formular abgewickelt und Karriereseiten aktiv genutzt werden, greift auch hier das Gesetz.
Wer ist davon ausgenommen? Nur Kleinunternehmen, die weniger als 10 Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz von unter 2 Millionen Euro erzielen, sind grundsätzlich von den Verpflichtungen des BFSG ausgenommen – sofern sie keine gesetzlich geregelten digitalen Dienstleistungen bereitstellen (z. B. E-Commerce-Plattformen, Online-Banking oder Ticketing).
Barrierefreie Website und Stellenanzeigen:
Was ist zu tun?
Kommen wir von der Theorie zur Praxis – wie kann das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umgesetzt werden? Barrierefreiheit klingt zunächst nach komplexer Technik oder Spezialwissen. Doch vieles lässt sich bereits mit einfachen Mitteln und klaren Prinzipien verbessern. So gehen Sie bei der Optimierung Ihrer Website und Ihrer Stellenanzeigen systematisch vor:
#1 Sprache und Inhalt: Klar, verständlich, inklusiv
Barrierefreiheit fängt beim Text an. Verwenden Sie eine einfache, klare Sprache, verzichten Sie auf verschachtelte Sätze und vermeiden Sie unnötigen Fachjargon. Achten Sie auf inklusive Formulierungen – nicht nur beim Gendern, sondern auch bei Begriffen wie „fit“, „junges Team“ oder „belastbar“ ist Vorsicht angesagt. Von solchen Ausdrücken könnten sich Menschen mit Handicap oder höherem Alter ausgeschlossen fühlen.
#2 Visuelle Gestaltung: Design mit Augenmaß
Ihre Website und Anzeige sollen auffallen – aber bitte nicht auf Kosten der Zugänglichkeit. Achten Sie auf:
- Hohe Kontraste (z. B. schwarze Schrift auf weißem Hintergrund)
- Ausreichende Schriftgrößen (mindestens 12–14 pt im Fließtext)
- Verzicht auf reine Bildsprache (Icons und Bilder immer mit Text oder Alt-Text versehen)
- Strukturierung durch Absätze, Bullet Points, Zwischenüberschriften, logische Struktur
- Wenn Sie PDF-Formate verwenden, achten Sie auf die Möglichkeit, Inhalte per Screenreader auszulesen.
#3 Keine Einbahnstraße: Alternative Kontakt- und Bewerbungswege anbieten
Nicht jeder kann oder möchte sich über ein Onlineformular bewerben. Bieten Sie eine barrierefreie Alternative an – z. B. per E-Mail oder Telefon. Und machen Sie transparent, dass diese Bewerbungswege genauso willkommen sind: Ein kurzer Hinweis am Ende der Anzeige genügt oft schon, um Vertrauen zu schaffen.
#4 Navigation per Tastatur ermöglichen
Eine barrierefreie Website oder Stellenanzeige muss vollständig ohne Maus nutzbar sein. Das heißt:
- Alle Buttons, Links und Formularfelder müssen per Tab-Taste erreichbar sein.
- Die Tab-Reihenfolge muss logisch sein.
- Jedes Element (z. B. Button) muss sichtbar markiert sein.
- Auch Menüs, Pop-ups und Formulare müssen per Tastatur steuerbar sein.
#5 Das Bewerbungsformular nicht vergessen
Ebenso entscheidend: das Bewerbungsformular. Achten Sie besonders auf:
- logisch aufgebaute Eingabefelder
- deutliche und barrierefrei lesbare Fehlermeldungen
- den Verzicht auf Pflichtfelder, die nicht zwingend notwendig sind
- einfache Bedienung – auch ohne Maus und per Screenreader
Kostenloser Download: Cheat Sheet
"Ihr Spickzettel für barrierefreie Stellenanzeigen"

Alles Wichtige auf einen Blick!
- Gesetzliche Regelungen
- Tipps zur richtigen Umsetzung
- Vorteile barrierefreier Stellenanzeigen
- Tools zur Prüfung
Barrierefreie Website und Stellenanzeigen: Tipps zur Umsetzung
Barrierefreiheit ist kein einmaliges Projekt, das mit einem Update der Karriereseite, der Stellenanzeige und des Bewerbungsformulars erledigt wäre. Sie ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich nur dann nachhaltig etablieren lässt, wenn alle Beteiligten im Unternehmen mit ins Boot geholt werden – von HR über Marketing bis zur IT. Hier ein paar Tipps, worauf es ankommt:
#1 Zuständigkeiten klären
Wer kümmert sich bei Ihnen um die Formulierungen in Stellenanzeigen? Wer erstellt PDFs oder speist Inhalte ins System ein? Und wer ist verantwortlich für das Bewerbungsformular auf der Karriereseite? Wer bestückt die Karriereseite mit Inhalten? Oft sind mehrere Abteilungen beteiligt – was die Notwendigkeit für klare Rollen und Abstimmungen erhöht.
#2 Teams sensibilisieren und schulen
Nicht jeder muss ein Barrierefreiheitsprofi sein – aber ein grundlegendes Verständnis für barrierearme Sprache, Gestaltung und Technik in der Abteilung hilft enorm. Kurze Workshops, Guidelines oder Checklisten für die tägliche Praxis reichen oft schon, um ein gemeinsames Bewusstsein zu schaffen.
#3 Standards definieren und dokumentieren
Legen Sie interne Standards für barrierefreie Stellenanzeigen und Ihre Website fest – zum Beispiel für Textstruktur, Sprache, Formatierung und Alternativtexte. So wird Barrierefreiheit zum festen Bestandteil Ihrer Employer-Branding-Strategie statt zum Einzelprojekt.
#4 Barrierefreiheit mitdenken – von Anfang an
Ob neue Stellenvorlage oder Relaunch der Karriereseite: Wer Barrierefreiheit von Anfang an mitdenkt, spart später Aufwand und zeigt, dass Inklusion ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur ist – nicht nur eine gesetzliche Reaktion.
Checkliste: Wie Sie Ihre eigene Website und Stellenanzeigen auf Barrierefreiheit testen
Auch ohne Experten oder teure Audits können Sie erste Barrieren auf Ihrer Website und in Ihren Stellenanzeigen selbst erkennen – mit einfachen Mitteln:
Automatische Tests mit kostenlosen Tools
- WAVE: Prüft Kontraste, Struktur, Alternativtexte und mehr
- axe DevTools (Browser-Plugin): Identifiziert viele gängige Barrieren direkt im Quellcode
- Google Lighthouse (in Chrome DevTools): Zeigt Barrierefreiheitsbewertung im Performance-Check
Selbsttest mit Tastatur
Navigieren Sie die Seite nur mit der Tab-Taste:
- Lassen sich alle Menüs, Links, Buttons und Formulare erreichen?
- Ist der aktuell fokussierte Bereich sichtbar markiert?
Visuelle Prüfung
- Sind Texte gut lesbar (Kontrast, Größe, Zeilenabstand)?
- Gibt es eine klare Struktur mit Überschriften, Listen, Absätzen?
- Werden Bilder durch Alt-Texte beschrieben?
Nutzerzentrierter Check
- Lassen Sie die Seite mit einem Screenreader (z. B. NVDA, VoiceOver) vorlesen.
- Fragen Sie Menschen mit Einschränkungen nach ihrem Nutzererlebnis – oft zeigen sich hier echte Barrieren, die Tools nicht erfassen.
Tipp: Halten Sie Auffälligkeiten schriftlich fest und priorisieren Sie nach Relevanz. Schon kleine Korrekturen (z. B. bessere Kontraste oder Alt-Texte) machen einen großen Unterschied!
Was passiert, wenn die Website nicht (rechtzeitig) barrierefrei wird?
Nach dem 28. Juni 2025 kann eine fehlende Barrierefreiheit in Websites rechtliche Folgen haben – insbesondere für größere Unternehmen, die digitale Dienstleistungen anbieten.
Mögliche Konsequenzen sind:
- Verwarnungen und Bußgelder durch die zuständigen Marktüberwachungsbehörden
- Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherverbände
- Imageverlust und negative Berichterstattung
- Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen, wenn Barrierefreiheit gefordert ist
- Schlechtere Auffindbarkeit und höhere Absprungraten im Recruiting
Wer nicht handelt, riskiert also nicht nur rechtliche Schritte – sondern auch klare Nachteile im Wettbewerb um Talente und Vertrauen.
Fazit: Barrierefreiheit – jetzt handeln, statt abwarten
Barrierefreie Stellenanzeigen sind kein bürokratisches To-do, das man „noch irgendwie erledigen muss“. Sie sind ein Ausdruck von Haltung – und ein echtes Plus im Kampf um die besten Talente. Ab sofort ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verbindlich. Stellen Sie sich strategisch gut auf und gestalten Sie Ihre Recruiting-Kommunikation zukunftssicher.
Mit der richtigen Unterstützung ist das einfacher, als viele denken. Von der textlichen Optimierung über barrierearme Layouts bis hin zu inklusiven Bewerbungswegen: Es gibt bewährte Lösungen, die sich schnell und wirksam umsetzen lassen – ohne an Arbeitgebermarke oder Attraktivität einzubüßen.
Sie möchten wissen, wie barrierefrei Ihre Stellenanzeigen wirklich sind – und wo Sie konkret ansetzen können? Dann sprechen Sie mit uns.
Gemeinsam machen wir Ihr Recruiting inklusiv, sichtbar und erfolgreich!